Vor Louise war ich durchaus eine von den Verrückten, die mit Pulsuhr auf den Berg gegangen sind, um irgendwelche Höhenmeter-Rekorde, sich selbst, oder sonst wen oder was zu schlagen.
Und ja, ein Tag ohne Sport war ein verlorener Tag und ja, mir war es durchaus wichtig, dass ich besser klettere als mein Mann.
Mit Louises Geburt glich diese Einstellung dann einer kompletten Vollbremsung. Klettern? Joa, aber schonend, nach der Geburt. Bergsteigen? Gern, aber am liebsten mit Almhütte, Apfelstrudel und Wickeltisch. Skifahren? Hm, schwierig als Familie mit Kleinkind. Aber Rodeln mit Louise ist doch auch schön.
Dinge, die mir vorher wichtig waren, sind mir jetzt einfach sowas von egal. Und es ist so herrlich befreiend und entspannend. Wen interessiert’s, ob ich dreihundert oder dreitausend Höhenmeter gemacht habe? Wen interessiert’s ob wir gestern den Fuji oder den Feldberg bestiegen haben?
Heute liebe ich es, gemütlich zur nächsten Hütte zu wandern, einen Kaffee zu trinken und vielleicht noch auf den Gipfel zu gehen. Früher war an eine Einkehr nicht zu denken. Zeitverschwendung!
Natürlich bin ich noch immer ehrgeizig und ich liebe noch immer diese elend langen, ewig steilen Bergtouren, wo man am Abend erschöpft und glücklich auf der Hütte sitzt und Spaghetti isst. Aber es ist nicht mehr so wichtig. Hauptsache ich, wir, sind glücklich und zufrieden. Beweisen muss ich niemandem mehr etwas.
Eigentlich schade, dass ich erst Mutter werden musste, um das zu verstehen.
Apropos Mutter sein: seitdem Louise da ist, hat sich da leider noch etwas verändert. Ich bin ängstlicher geworden. Bei schwierigen Bergtouren habe ich mich schon öfters bei den Gedanken ertappt: was passiert, wenn ich jetzt falle? Wenn Louise als Halb-(oder Voll) Waise aufwachsen muss? Wo ich früher noch weitergegangen wäre, drehe ich jetzt eher um.
Und ja, auch mit Louise machen wir Sachen, die anderen vielleicht als “unverantwortlich” vorkommen. Denen kann ich nur sagen: keine Sorge, wir haben’s im Griff und wenn Madame selbst unbedingt irgendwo hochklettern will, dann soll sie klettern. Glücklicherweise hat sie Vertrauen in uns und in ihre eigenen Fähigkeiten.