Über Besitz, Belastung und das, was wirklich zählt.
Besitz belastet.
Je mehr ich besitze, desto gestresster werde ich, so kommt es mir zumindest vor. Je mehr wir besitzen, desto mehr kann kaputt gehen, muss gepflegt werden und -irgendwann- vielleicht wieder in Kisten gepackt werden und mit umgezogen werden. Und je mehr man besitzt, desto mehr Entscheidungen muss man treffen. Ich besitze eine Winterjacke. Ein paar Winterschuhe. Einen Rucksack. Ein Fahrrad. Drei Jeans. Fünf Pullover. (immernoch zu viel.) Da geht das Anziehen auf dem Weg zur Kita schnell.
Weihnachten naht. Und eine Freundin ist jetzt schon sauer auf ihren Mann, weil er ihr „sehr wahrscheinlich“ nicht das schenkt, was sie haben will. Obwohl sie etwas sehr Teures für ihn hat. Und er soll für sie mindestens den gleichen Betrag ausgeben. Ernsthaft? Ist der Konsum schon so eng mit echter Liebe verknüpft? Warum tun wir das? Warum schenken wir uns dann überhaupt noch etwas?
Wir haben dieses Jahr, wie eigentlich jedes Jahr, beschlossen: wir schenken uns nichts. Und nein, wir haben uns deswegen nicht weniger lieb und nein, wir schenken uns deswegen auch nicht weniger Aufmerksamkeit, aber all die Dinge, die ich bekomme, und nicht 100% brauche, erfreuen mich nicht. Sie belasten mich. Man kann mir wunderbar Müsli, Brotaufstriche, Nudelsossen oder Basmatireis schenken. Sonst nichts. Bitte! Und wenn mir im Juli DAS Geschenk für meinen Mann über den Weg läuft, dann gibt’s halt Weihnachten im Juli.
Dasselbe gilt auch für Louise. Sie ist zwei Jahre alt. Sie braucht keine Geschenke. Zumindest keine materiellen. Zu ihrem Geburtstag hat Papa ihr immerhin ein Steckenpferd gebaut. Aus einem Stock und einem Socken. Findet sie super.
Obwohl wir für Louise nichts, wirklich GAR nichts an Spielzeug jemals gekauft haben, ist die Wohnung voll damit. Teilweise noch von mir, von meinem Mann, von Freunden, Nachbarn, Großeltern. Da kam so viel zusammen, dass ich einen großen Teil schon weiterverschenkt, -verkauft, oder gespendet habe. Befreiend, so ein halber leerer Regalmeter! Wirklich!
Zu Weihnachten gibt es deswegen für Louise „nur“: Aufmerksamkeit. Und ganz viel Liebe.
Im Alltag fällt es mir zugegebenermaßen oft schwer, Louise wirklich lange ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, ohne im Hintergrund To-Do-Listen zu wälzen und zu überlegen, was ich statt 6-Teile-Bauernhof-Puzzles jetzt eigentlich alles machen sollte. Während der Feiertage will ich deswegen einfach mal so lange Puzzles machen, bis Louise ihrerseits anfängt, ihre To-Do-Listen zu wälzen. (Was da wohl draufsteht?) Ich will alle Bücher anschauen, die wir haben, ihre Bauklötze nach Farben sortieren und riiichtig hohe Türme damit bauen! Damit kann ich ihr, da bin ich mir sicher, mehr Freude machen, als tonnenweise buntes Plastik in buntes Papier einzuwickeln, das beides früher oder später im Müll landet.
Apropos Müll: bei jedem Teil, das ich kaufe, denke ich: das muss irgendwann entsorgt werden. Und die zweite Frage: WIE wird es entsorgt werden? Dadurch, dass ich in jedem Produkt schon potenziell „Müll“ sehe, werden einige Dinge sicher etwas „de-romantisiert“, aber dadurch spare ich mir auch einiges an Konsum. Meistens sehe ich schon vor dem Kauf nur die Belastung, dass dieses Teil dann in meinem Schrank sitzt und mich vorwurfsvoll anschaut: „Jetzt hast du mich extra gekauft, jetzt benutze mich auch! Es ist langweilig hier drin!“
Brauche ich dieses Teil wirklich? Braucht Louise dieses Spielzeug wirklich, oder ist es nicht in einer Woche ohnehin wieder langweilig? Wenn man vor der Kaufentscheidung etwas Zeit vergehen lässt, erübrigt sich die Frage meist von selbst. Meist denkt man nach einer Woche schon garnicht mehr daran und man bereut eher die Dinge, die man gekauft hat, als die, die man nicht gekauft hat.
Louise ist zum Glück noch so klein, dass sie noch nicht weiß, was diese bunte, große Konsumwelt da draußen alles an Verlockungen für sie bereit hält. Zum Glück. Um Spielzeugläden kann man hier draußen am Land easy einen großen Bogen machen und dass ihre Freunde mehr Spielzeug haben als sie, scheint sie (noch) nicht groß zu jucken. Am liebsten spielt sie ohnehin mit Töpfen, Walnüssen, Zahnbürsten. Ich weiß, es werden andere Zeiten kommen.
Aber ich hoffe, dass wir als Familie ihr ein Beispiel sein können. Dass wir durch unseren minimalen Konsum ihr vorleben, dass man nicht jedem „Haben-Will“ Impuls nachgeben muss und unsere Ressourcen wertvoll und endlich sind.
Den größten Spaß hat man doch meistens draußen am Bach beim Steine-Weitwurf und nicht gemeinsam vor dem iPad. Und da mich sogar die Steine belasten, die Louise von jeder ihrer Ausflüge mitbringt und draußen im Garten lagert, müssen wir heute dringend mit einer großen Tasche voller Steine an den Bach, um die alle wieder loszuwerden.