Es gibt sie, diese Berge, die einen magisch anziehen, die eine ganz besondere Bedeutung für’s Leben, für die eigene Heimat haben. Für mich ist es der Brünnstein. 1619 Meter hoch thront er erhaben über meinem Heimatdorf Oberaudorf im oberen Inntal. Ein klassischer bayrischer Voralpen-Gipfel eben, der sogar per Bus und Bahn erreichbar ist.
Von jeder Seite führen unterschiedliche Wege auf seinen Gipfel. Unten Wald und Wiesen, oben Kraxelei.
Leicht zu besteigen ist er nicht – in unter zweieinhalb Stunden Gehzeit hat man kaum eine Chance, seinen Gipfel zu erreichen. Doch schon als Fünfjährige war es für mich das Höchste, mit Oma den Klettersteig am Brünnstein zu bezwingen. Bei der Aussicht auf echte Felskletterei waren sogar zwei Stunden Aufstieg kein Problem für meine kurzen Kinderbeinchen. Hoch alpin wirkte er damals auf mich, der „Dr. Julius Mayr-Weg“, der vom Brünnsteinhaus auf den Gipfel führt. Ewig lang und wahnsinnig steil.
Heutzutage liebe ich ihn noch immer – auch wenn er auf eine sportliche 35-Minütige Kraxelei vom Brünnsteinhaus auf den Gipfel zusammengeschrumpft ist.
Aber beginnen wir von vorn.
Auf den Brünnstein zu jeder Jahreszeit
Für jede Jahreszeit gibt es den perfekten Weg auf den Brünnstein. Ob per Ski, mit Rodel, durch Krokusfelder oder am kühlen Bachlauf entlang, wenn die Sonne brennt – der Brünnstein ist immer eine Wanderung wert. Manche sind gut machbar mit Kind, andere vielleicht doch noch etwas zu steil. Dennoch ist hier für jeden was dabei.
Der Brünnstein im Winter
Im Winter ist definitiv der Weg von Mühlau über die Rechenau der schönste Aufstieg auf den Brünnstein. Der Weg ist praktischerweise hinab eine geniale Rodelbahn, hinauf dabei steil und zach. (ACHTUNG: Nix für Kids!!)
Eine heiße Schoki mit Kaiserblick im ganzjährig geöffneten Brünnsteinhaus darf vor der Abfahrt keinesfalls fehlen. Rodel kann man selbst mit hochziehen, oder im Brünnsteinhaus ausleihen.
Eine Skitour führt ebenfalls auf den Brünnstein, die geht aber nur bei richtig guten Verhältnissen und beginnt beim Gasthof Buchau.
Der Brünnstein im Frühling
Im Frühling liebe ich den Rundweg vom Gasthof Buchau hinauf zum Brünnsteinhaus. Der Teil bis Buchau ist eine nette Mountainbike-Tour, wo es die ersten 300 Höhenmeter aber der Ortsmitte zu überwinden gibt. Ab da geht es zu Fuß weiter. Steil durch den Wald hinauf, vorbei an der Fritzenwand, bis zum Brünnsteinhaus. Hinab gehen wir den längeren Weg über die Groß-Alm über weite Almwiesen voller Krokusse, mit wunderschönem Blick ins Tal.
TIPP: Danach unbedingt im urigen Gasthof Buchau einkehren!
Der Brünnstein im Sommer
Im Sommer ist der Weg ab der Hinteren Gießenbachklamm der schönste Weg hinauf. Am kühlen Bachlauf der Gießenbachklamm radeln wir stetig hinauf, vorbei am Örtchen Dörfl und unserer geliebten Schopperalm. Am Parkplatz Hintere Gießenbachklamm parken wir unsere Fahrräder, füllen unsere Trinkflaschen mit dem glasklaren Wasser des Bachlaufs und wandern auf einem schmalen Pfad weiter bis zum Naturfreundehaus. Von dort aus schlängelt sich der Weg steil hinauf bis ins idyllische Himmelmoos. Hier im Moos fängt wirklich der Himmel an! Ein wunderschöner, weiter Almboden empfängt uns. Kühe grasen, Almhütten stehen verstreut auf den Wiesen. Der Kaiser leuchtet hinüber, Bänke laden zum Rasten ein. Traumhaft! Absolutes Must-See!
Der Brünnstein im Herbst
Es ist Herbst. Die Blätter färben sich endlich bunt, wir haben kinderfrei. Klarer Fall: ab auf den Brünnstein! Eine Sonnenuntergangs-Tour auf den Brünnstein ist einfach jeden Herbst Pflicht.
Wir starten unsere Herbstwanderung am Waldparkplatz Tatzelwurm in der Nähe des Tatzelwurm-Wasserfalls, den ihr unbedingt besuchen müsst, wenn ihr ihn noch nicht kennt.
Der Aufstieg vom Waldparkplatz Tatzelwurm (797m) ist auch für Kinder der geeignetste Weg, da man die wenigsten Höhenmeter zurücklegen muss und er mit am abwechslungsreichsten. Bis zum Brünnsteinhaus sind es ziemlich genau 600 Höhenmeter, bis zum Gipfel nochmal knapp 300hm mehr.
In steilen Kehren folgen wir dem AV-Weg 657 bis zur Schoißeralm und folgen dem Forstweg weiter bis zu einer Wegkreuzung, wo wir linkerhand weiterwandern. Wer mag, kann ungefähr bis hier per eBike radeln, muss sein Fahrrad nun auf knapp 1200 Metern stehenlassen und zu Fuß weitergehen. Ein schmaler Steig führt nun über Bachläufe und durch einen idyllischen Märchenwald. Im Laub rascheln die Vögel – ansonsten ist es still. Wir sind heute die einzigen Wanderer und sollen bis zum Brünnsteinhaus keine anderen Menschen treffen.
Bald endet der Weg und biegt rechterhand in einen kleinen Waldsteig ab, der sich in steilen Kehren über Wurzeln und kleine Felsabsätze hinaufzieht. Ein klarer „Kinder-Trail“, wie Louise sagen würde. Schmal, wurzelig, spannend. Es geht über schmale Brücken und kleine Bachläufe. Wunderschön. Kleinere Kraxel-Passagen sind sogar seilversichert, für trittsichere Wanderer aber problemlos machbar.
Bald öffnet sich die Landschaft und wir erreichen das Gebiet der Groß-Alm. Hier treffe sich die Wanderwege aus Buchau und von der Rosengasse, bevor es weitergeht auf dem „Bankerl-Steig“ (AV 657). Das passende Bankerl zum Bankerlsteig erreichen wir kurz vor dem Brünnsteinhaus, wo wir kurz rasten und das wahnsinnig schöne Panorama genießen.
Eine kleine seilversicherte Traverse im Herbstlicht erwartet uns noch, bevor wir das Brünnsteinhaus erreichen. Wir Profis haben es natürlich geschafft, am Ruhetag hinaufzukommen. So ist immerhin nichts los, aber wir müssen auch auf unser Abendessen am Berg verzichten.
Ab auf den Gipfel
Es folgt: mein Lieblingsteil. Felsvorsprünge, Seilversicherungen, Stahlleitern, Höhlen, Tiefblicke, Ausblicke, und: die mutigsten Gamserl der Welt. Die sind so mutig, dass sie nur wenige Meter vor uns stehen und uns ganz genau mustern. Na, ihr habt auch wirklich gar keine Angst, oder? Im ersten Moment dachte ich wirklich, die habe der Tourismusverband hier aus Plastik als Touristenattraktion positioniert – so still und starr standen sie da!
Am Gipfel sind wir kurze Zeit später wieder völlig allein. Ein schmaler Felsgrat bildet den Gipfelaufbau. Darauf befindet sich ein Gipfelkreuz und eine kleine Kapelle. Einen der schönsten Rundum-Blicke der Voralpen erwartet uns noch dazu. Direkt vor uns Zahmer und Wilder Kaiser, daneben die anderen Oberaudorfer Hausberge Wildbarren und Hocheck. Tief unter uns die Oberaudorfer Almen, hinter uns das Inntal mit den markanten Bergen Heuberg und Kranzhorn. An klaren Tagen reicht der Blick bis in die Hohen Tauern zu den schneeweißen Gipfeln des Venedigermassivs.
Ein obligatorisches Gipfelbussi, dazu warmer Tee und eine kleine Brotzeit. Ich würde am liebsten ewig hier sitzen. Doch leider ist Herbst. Das bedeutet: die Sonne geht bald unter. Wenigstens den Klettersteig würde ich gerne noch im Hellen meistern – kurz hinter dem Brünnsteinhaus holt uns dann aber doch die Dunkelheit ein. Mit Stirnlampen ausgerüstet wandern wir glücklich und erfüllt auf demselben Weg zurück ins Tal und direkt in die ortsansässige Pizzeria auf einen gemütlichen Abend mit Freunden.
Ein perfekter Tag daheim. Und nun heisst’s: Ski wachsen und Rodel schleifen, um den Brünnstein bald im Winterkleid bestaunen zu dürfen.